Walls Of Jericho / Evergreen Terrace / Cataract / The Red Chord / Animosity / Stick To Your Guns /
Alle Jahre wieder…
kommt nicht nur das Christkind sondern auch die Hölle auf Mutter Erde. Denn die europaweite Hell On Earth Tour hat sich seit ihrem Beginn im Jahre 2005 einen sehr guten Ruf erspielt und glänzt seither mit Konzerten bevorzugt für die jüngere und extremere Generation. Dieses Jahr standen wieder vermehrt Bands aus dem Hardcore Bereich, wie etwa dem Headliner Walls of Jericho oder auch den Schweizer Mannen von Cataract, auf dem Programm. Auch zum zweiten mal dabei sind die nicht aus Springfield stammenden Evergreen Terrace. Frischen Wind gibt es mit der noch relativ unbekannten Band Stick To Your Guns. Aber auch die Deathcore-Vertreter The Red Chord, Animosity und die aufstrebenden All Shall Perish haben es über den großen See zu uns geschafft. Für viele ein guter Grund eines der zahlreichen Konzerte zu besuchen, denn so ein Lineup gibt es nur selten bzw. nicht so schnell wieder zu bestaunen.
Eine der Locations in diesem Jahr war die Kulturhaus Arena in Stuttgart. Die liegt in Wangen direkt gegenüber einer Polizeistation. Wie praktisch. Und als ich schließlich gegen 19:15 Uhr ankam, sah ich auch schon die ersten Gestalten, die in etwa das typische „Konzertbesucherklischee“ erfüllten. Man, man, man sag ich da nur. Von engsten Röhrenjeans bis zu grellen Metalshirts, von zu vielen Piercings bis zu schrillen Haarfrisuren. Jedes kleinste Detail wurde hier erfüllt. Wahrlich amüsant anzuschauen. Zudem sah man immer wieder Passanten, die mit Stirnbändern bewaffnet die Gegend unsicher machten. Für viele schien dies hier wohl eine Art Freizeitsport zu werden. Ich wartete nur noch darauf, dass jemand mit seinem Turnbeutel aus der fünften Klasse und der zugehörigen Jogginghose antanzen würde, ohne Witz. Na ja. Von außen machte der Laden den Standardeindruck, siffig und alt. Doch nach kurzem Check an der Kasse sah es im Inneren mal gar nicht nach Metal aus. Recht groß, alles sauber und eine schicke Atmosphäre. Man musste einen langen Weg zurücklegen um an sein Ziel zu kommen. Machte man sich schlau, wer denn hier sonst noch so Auftritte hat, fand man heraus, dass die Arena hauptsächlich für die Völkerverständigung sowie für türkische Hochzeiten reserviert ist. Zudem kann man hier auf eine internationale Küche und einen einladenden Biergarten zurückgreifen. Nicht schlecht. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass hier nur ab und zu Metalkonzerte veranstaltet werden. Und dementsprechend sah es eben aus. Gleich an zwei Bars (eine wie in einer Szenedisco) konnte man sich hier sein Bier oder auch seinen Latte Macchiato zu recht unhumanen Preisen kredenzen lassen. Alkoholische Getränke für 3,50 Euro sowie Anti-Alk für 2,50 Euro, das hat man auch schon günstiger gesehen. Zudem konnten diejenigen, die keine Bands sehen möchten, auf schwarzen Ledersofas das deutsche Bildungsprogramm über Flatscreen konsumieren. Wer es denn nötig hat. Und selbst die Raucher kamen nicht zu kurz. Gleich neben dem Konzerthalleneingang gibt es einen ausreichend großen Raucherraum in dem dem Laster gefrönt werden kann. Bat sich auch schwer an, denn der Weg nach draußen ist wie gesagt recht lang.
Durch eine offene Doppeltür ging es dann in den Bühnenbereich. Und auch der ist ausreichend groß, fast schon zu groß. Auf dem linken Viertel der Halle stand ein vollgepackter Merchandise Stand mit massig Zeugs der spielenden Künstler. Zusätzlich gab es einen exklusiven PETA2 Stand (meiner Meinung nach eine klasse Idee). Hier kann sich der fürsorgliche Musik-Fan über die Organisation informieren und sich unschöne Videos von gequälten Tieren anschauen. Ironischerweise ist ein paar hundert Meter um die Ecke ein Kentucky Fried Chicken. Na dann Mahlzeit. Ach ja, zusätzlich wurden die Gäste der Veranstaltung doch gebeten, drei Euro an die besagte Organisation PETA zu spenden. Und ich als Tierliebhaber konnte da natürlich nicht nein sagen, ist ja wohl klar.
Um kurz nach halb Sieben standen auch schon einige Protagonisten auf der Bühne und machten lässig einen Soundcheck. Als es dann schon um 19:45 losging, fiel mir auf, dass dort nicht Stick To Your Guns in die Bretter treten, sondern die Techmetaller von Animosity. Hoppla, hatte ich denn die erste Band verpasst? Schien wohl so zu sein. Nach wiederholter Nachfrage bei anwesenden Sympathisanten stellte sich heraus, dass wohl die meisten die erste Formation verpasst hatten. Das lag daran, dass diese pünktlich wie die deutsche Bahn ihr Set durchgezogen hatten. Und da mir auch keiner irgendetwas über ihre Performance sagen konnte, entfällt somit die Rezension. Wenn ich mir aber ihre Musik auf MySpace so reinziehe und ihre T-Shirts so ansehe, denk ich mal, dass sie ganz gut ins Konzept des Abends gepasst haben. Vielleicht habe ich beim nächsten Mal mehr Glück.
Aber zurück zu Animosity. Gerade in den Staaten sind Bands wie die aus San Fransisco stammenden Jungs schon seit langem in aller Munde. Nur bei uns in Europe dümpeln sie noch langsam vor sich hin. Trotzdem hatte sich die Halle gut gefüllt. Es wurde aber auch nicht mehr voller, da schätzungsweise alle Leute da waren. Das Problem war wie gesagt die Raumfreiheit, die Leute verloren sich im Raum. Vor der Bühne schien ein riesiges imaginäres Loch zu sein, denn keiner traute sich so recht nach vorne. Ein großes Problem, dass sich auf allen Konzerten der Welt finden lässt. Die Band ließ sich aber nicht davon beeindrucken und zog konsequent ihre Show durch. Gleich zu Beginn gab’s „Terrorstorm“ um die Ohren und es ließen sich einige Leute zum Kopfschütteln einladen. Ab und zu ließen sich jetzt schon einige jungen Wilde auf ausgelasse Kampfkünste ein. Hält sich noch in Grenzen, aber gegen Später wird es leicht nervtötend. Schreihals Leo hüpfte wie ein Gestörter über die Bühne und animierte so gut es ging. Nur die drei Saitenspieler bewegten sich ein wenig starr und schauten leicht verwirrt ins Publikum. Dazu kamen kleine technische Probleme, die aber nach gut der Hälfte ihrer halbstündigen Show gelöst waren. Diese Probleme schien Drummer Navene Koperweis nicht zu haben, der zaubert nämlich feinste Technik aus seinem Schlagzeug. Absolut geniales Spiel. Weitere Songs wie „Bombs Over Rome“ zogen dann doch noch ein paar Hansel zum finalen „Mini-Circle-Pit“. Routinierter Opener, ähm ich meine zweiter Auftakt.
Anschließend enterten die amerikanischen Kollegen von The Red Chord die Bühne und sorgten gleich mal für mächtig Unterhaltung. Als Dekoration haben die vier Mannen nämlich riesige geschmückte Weihnachtsbäume auf die Bühne gepackt. Ich sagte doch, alle Jahre wieder… Was die bezwecken sollten weiß ich aber immer noch nicht. Nicht so schön hingegen war der Pornobalken von Basser Greg Weeks. Meine Fresse, was für ein Teil, da fehlte nur noch die fette Fliegerbrille. Zudem schaute Sänger Guy Kozowyk aus wie ein muskelbepackter Psychopath mit weit aufgerissen Augen und hämischem Lachen. So einem möchte man nicht nachts begegnen. Zudem vermisste man den zweiten Gitarristen irgendwie. Dafür bekamen sie bei einem Song musikalische Unterstützung von Stick To Your Guns Saitenhexer Alex. Dieses Phänomen der „Bandmitgliederaustauschung“ konnten wir aber noch des Öfteren im Verlauf des Konzertes erleben. Wie Kraut und Rüben wurde da durchgemischt, aber bei jeder Band. Vom Musikalischen her stehen The Red Chord den Vorgängern im keinster Weise nach, technisch, wirr, eigenständig. Songs wie „Birdbath“ killen, die Musiker selber rotierten auf den Plätzen und die Besucherzahl verdichtete sich zunehmend. Trotzdem amüsierten sich vereinzelte Bandmitglieder über die anfängliche Distanz der Zuschauer. Zum Schreien. Spielzeit 30 Minuten, kurz und knackig eben.
Als nächstens folgte die einzigste europäische Band in diesem Jahr: Cataract.
Unsere Nachbarn aus der Schweiz beehrten die Hell On Earth Tour schon zum zweiten Mal und haben sich zu einer wahren Hardcore Spitze gemustert. Endlich schienen auch die Fans zu wissen, wo denn die Party abgeht. Der Sound war mörderisch, mit einem wahren Todes-Groove walzten die fünf Mannen ganz schön die Leute nieder. Das hätte ich nicht gedacht. Und auch das Publikum spielte der Band gut zurück. Im vorderen Bereich bebte der Boden, die Straight Edge Haudegen und HC Veteranen pitteten sich am laufenden Band und kamen kaum zur Ruhe. Da flogen auch schon mal Schuhe auf die Bühne. Als Finale sprang dann noch der Klassiker „Nothings Left“ vom dritten Album über die Bühne und ließ einen zufriedenen Haufen Schweiß zurück. Ich war wirklich begeistert. Wobei die abklingenden Techno-Beats bei den meisten Leuten ein leichtes Grinsen oder doch eher einen verstörten Blick hinterließen.
Auf ging es zu den aus dem sonnigen Florida stammenden Evergreen Terrace.
Um 22:15 Uhr ging es los und gleich als zweiter Song kam ihre kleine Hymne „New Friends Request“. Die Leute waren begeistert und man sah, dass die Band seit 2005 ordentlich an Fans zugelegt hatte. Damals standen sie nämlich noch als einer der ersten auf der Bühne. Jetzt ging es aber deutlich mehr ab, kämpfende und mitgrölende Massen sind das Ergebnis. Schön anzusehen. Von weitem sah Shouter Andrew aus wie eine schlaksige, hysterische Blondine. Kein Wunder, so wie der Typ über den Laufsteg bretterte. Gitarrist Graig überzeugte fabelhaft mit seinem cleanen Gesang und auch der Rest der Truppe wie Bassmensch Jason agierten ausgezeichnet mit dem Publikum. Da haben alle sichtlich Spaß. Kein Wunder, denn die Songs, viele vom aktuellen Album „Wolfbiker“, haben einen ordentlichen Schuss Punk aber auch Metal im Hintern. Nicht zu verachten ist wie gesagt das Austauschen von Bandmitgliedern. Um 23 Uhr war es dann auch schon rum und alle machten sich warm für den finalen Akt.
Denn wer hätte es gedacht, die meisten Leute waren wohl doch wegen Walls Of Jericho hier. Wieder einmal standen die Amerikaner an vorderster Front und heizten der Arena vollends ein. Da die Band eine Sängerin in petto hat, ist ein anschauen auf jeden Fall sehenswert. Und tatsächlich, all meinen Vorurteilen zu Trotz, klang Candace Kucsulain merklich besser als auf gehörten alten Scheiben. Zudem sind die Songs der neuen Scheibe „The American Dream“ ausgereifter und auch für Nicht-Hardcore-Hörer doch interrasanter als angenommen. Da kam kein Tanzbein ungeschoren davon, die gesamte Halle hatte ein fettes Grinsen im Gesicht. Ein Song nach dem anderen ratterte vom Stapel. „Feeding Frenzy“ und der Titelsong vom neuen Album kamen Klasse an, aber auch ein paar alte Lieder wie „A Little Piece Of Me“ wurden zum Guten gegeben. Am Ende des Konzertes standen auf der Bühne mehr Fans und befreundete Bandmitglieder als gewollt. Hier sah man mal, wie eine Fanbase zusammen hält. Das hatte schon etwas von einer Familie, und ich fühlte mich mittendrin. Jeder schien auf seine Kosten zu kommen.
Um Punkt 0:00 Uhr war nach einer dreiviertel Stunde Rumgeschreie Schluss, was aber meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung war, zumal man ja sechs Bands bzw. fünf nacheinander beäugeln konnte. Mehr wäre nicht nötig, sondern womöglich lästig gewesen. So schnell wie die Halle befüllt war, so schnell leert sie sich auch wieder. Noch schnell ein T-Shirt abgestaubt und den letzten Softdrink runtergeschluckt, schon war ich auf dem Weg in Richtung Heimat. Na endlich, mal früher daheim als sonst.
Fazit des Abends: Absolut klasse Veranstaltung mit viel sehenswerten, neu kennengelernten Bands und einer interessanten Location. Da bleibt mir nur noch eins zu sagen: Auf zum nächsten Mal wenn es abermals heißt „Alle Jahre wieder…“
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