Testament / Stereochrist /
Die Bay Area Thrash Götter Testament haben mit ihrem Comeback Album „The Formation Of Damnation“ wohl gerade eines der fettesten Thrash Brocken 2008 abgeliefert. Und Mitte Juni gastierte die Band also in Lindau um das Album auch live vorzustellen. Da lies ich es mir natürlich nicht nehmen mit der Fähre überzusetzen und mir das Spektakel anzuschauen.
Leider hatten wir, wie so oft, Verspätung, so dass wir von der ersten Band, die nicht wie angekündigt VL45 sondern eine andere ungarische Band (deren Namen ich leider wieder vergessen hab) war, lediglich den letzten Song mitbekommen haben. Dies war allerdings nicht besonders schlimm, da hier schon ein Song völlig ausreichte um zu langweilen. Geboten wurde technischer Thrash der deutlich von frühen Slayer und Metallica beeinflusst war. Der Song bestand aus einer Handvoll zweitklassiger Riffs, die in endlosen Wiederholungen immer wiedergekäut wurden. Erstmal Bier holen.
Die zweite ungarische Band des Abends konnte da schon mehr Eindruck schinden. Entgegen meiner Erwartung, dass auch diese Vorband sich stilistisch am Headliner orientieren würde und so schon im Vorfeld den Kürzeren zieht, wurde hier kein klassischer Thrash geboten. Stereochrist boten deutlich von Down und Crowbar beeinflussten Southern Doom Rock – und der war keineswegs von schlechten Eltern! Die Klasse der Vorbilder wurde freilich nicht erreicht, die schweren wabernden Riffs und die massiv wummernden Basslinien sorgten aber für eine kurzweilige Show. Großes Ass im Ärmel der Band war der Frontmann, der sich nicht nur optisch etwas her machte sondern auch mit einer tollen Stimme irgendwo zwischen Chris Cornell und Phil Anselmo brillierte. Einige der Songs und Riffs waren richtig geil und konnten direkt mitgemosht werden. Schwachpunkte des Auftritts waren die stark verwurzelte Bewegungsarmut der Instrumentalisten und das ziemlich kraftlose und wenig exakte Drumming. Ansonsten gehen hier aber die Daumen hoch.
Testament ließen sich im Anschluss reichlich Zeit für den Umbau und Soundcheck. Als es gerade anfing zu nerven betraten die Herren dann schließlich die Bühne. Ein Lineup das man sich auf dem Gaumen zergehen lassen muss. Im beinahe Original-Lineup mit Chuck Billy, Greg Christian und den beiden Gitarrenhexern Alex Skolnick und Eric Peterson. Hinter den Kesseln saß niemand geringerer als Paul Bostaph (ex-Slayer). Da kann eigentlich nichts schief gehen, sollte man meinen. Doch was die Band ablieferte war keineswegs so perfekt, wie ich es als alter Fan gerne gesehen hätte. Aber eins nach dem anderen. Die Band startete mit einer Salve Klassiker „Over The Wall“ und „Into the Pit“, dann schon wieder ein Klassiker: „Apocalyptic City“. Seltsam, hatte man nicht gerade ein grandioses neues Album veröffentlicht, auf das die Fans heiß sind? Gut, die Klassiker müssen auch gespielt werden und sind ja ebenfalls phantastisch. Bevor sich die Band aber schließlich erbarmte tatsächlich einen neuen Song zu spielen wurden erst noch „Practice What You Preach“, „The New Order“ und „Electric Crown“ gespielt. Dann schließlich als siebter Song im Set „More Than Meets The Eye“. Für mich unverständlich. Zumal Songs wie „Apocalyptic City“ und „Electric Crown“ zwar toll sind, aber durchaus mal aus der Setlist gestrichen werden könnten. Genauso wie „Trail Of Tears“, mit dem die Band das Tempo aus der Setlist nahm. Als einziger weiterer neuer Song wurde „Henchman Rise“ dargeboten. Zwei Songs gab es noch vom göttlichen „The Gathering“ Album, dann noch „Souls Of Black“. Alle anderen Songs stammten von den ersten beiden Alben. Mal im Ernst, warum versteift sich die Band nach all den Jahren noch immer so auf dieses Programm. Klar, die Songs sind super und einige werden wohl immer gespielt werden müssen. Aber das Programm von Testament war als seien sie mit diesen Platten auf Tour und nicht mit neuem Material. Es ist auch beileibe nicht so, dass die Band nur noch Mist veröffentlicht hätte. Für mich unverständlich, zumal die neuen Songs bei Publikum sehr gut ankamen.
Leider war neben der Setlist auch sonst nicht alles im grünen Bereich. Der stark aufgequollene Chuck Billy war stimmlich nicht auf der Höhe. Das merkte man nicht nur bei der Halbballade „Trail Of Tears“ sondern auch an der Tatsache, dass seine Vocals mit reichlich Hall unterlegt wurden und er die höheren Parts kaum heraus brachte. Viel schlimmer schlug aber die Tatsache zu Buche, dass sein Auftritt absolut einstudiert wirkte. Standard Ansagen, die immer selben Zwischenrufe und Growls (die schon auf sämtlichen Livemitschnitten zu hören sind) und das abgespulte Luftgitarrenprogramm, das irgendwie so wirkt als wäre Herr Billy eigentlich gern Gitarrist geworden.. Apropos Gitarristen, diesen kann man keinen Vorwurf machen. Technisch absolut perfekt ballerten Skolnick und Peterson den Zuschauern die Riffs und Solos um die Ohren. Vor allem die Solos Skolnicks sorgten für offene Münder, auch wenn er optisch etwas fehl am Platze wirkte. Ein weiterer Hingucker war natürlich Paul Bostaph, der präzise wie ein Uhrwerk auf die Kessel einzimmerte.
Trotzdem, irgendwie wollte der Funke nicht überspringen. Weniger wegen den oben erwähnten Kritikpunkte, sondern weil die gesamte Darbietung leidenschaftslos und routiniert abgespult wirkte. Gut möglich, dass ich mit zu hohen Erwartungen zur Show gegangen bin, aber mich hat die Band leider zu keiner Zeit wirklich vom Hocker gerissen.
Setlist TESTAMENT
Over The Wall
Into The Pit
Apocalyptic City
Practice What You Preach
New Order
Electric Crown
More Than Meets The Eye
Low
Trail Of Tears
Henchmen Ride
Souls Of Black
The Preacher
D.N.R
3 Days In Darkness
Alone In The Dark
Disciples Of The Watch
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