Noctem - Oblivion
“High-Energy-High-Tech-Black-Death-Armageddon at ist fucking best“ ist die Beschreibung, die mir die Bandinfo zum neuen Album „Oblivion“ der spanischen Noctem entgegenschleudert. Da hab ich mich zunächst vor Lachen gar nicht mehr einkriegen wollen, und dachte spontan, das kann ja nur völliger Rotz sein. Nachdem das eigenwillige Intro aber verklungen war, und der erste Song „The Arrival Of The False Gods“ im wahrsten Sinne des Wortes aus den Boxen schießt, lache ich nicht mehr… also, überhaupt nicht mehr. Im Gegenteil: Nachdem ich meine Fassung wieder gefunden und eine Weile nach einer passenden Beschreibung für diese Musik gesucht habe, kam ich zu dem Schluss, dass die eingangs erwähnte Phrase zwar enorm dick aufgetragen wirkt, aber eine durchaus adäquate Betitelung des Ganzen darstellt. Die elf Tracks des Nachfolgers zum 2009 erschienenen Debütalbum „Divinity“ sind nichts anderes, als eine 54-minütige, hasserfüllte Raserei in Kombination mit einem Presslufthammer – direkt am obersten Nackenwirbel angesetzt. Extrem präzises Schlagzeugspiel und einem Wirbelsturm gleiche Stakkatoriffs, im Stile von Behemoth, beinhalten alles, um den Hörer samt seiner Anlage (und den benachbarten Häuserblocks) dem Erdboden gleich zu machen. Allerdings verfügen die fünf Iberer auch über eine melodische Seite, die sehr imposante, beinahe epochale Passagen entfachen kann, die mit unter ein wenig an Nile erinnern, und den dringend benötigen Kontrast zu all dem ultrabrutalen Geknüppel bietet. Auch „Q’Uma’Rka’Aaj“, ein kurzes Intermezzo im Operetten-Metal-Stil, ist in diesem Sinne sehr willkommen. Die volle Größe von „Oblivion“ offenbart sich einem aber erst, wenn man etwas tiefer in die Gitarrenarbeit, die oftmals schlicht genial ist, einsteigt. Songs wie „Universal Disorder“ oder „Invictus“ verfügen über Frickelabschnitte, die jedem Gitarristen die Finger schmerzen lassen. Auch die Zweistimmigkeit der Klampfen, die zum Beispiel bei „Unredemption“ bis zum völligen Auseinanderlaufen der Harmonien zelebriert wird, ist mehr als beeindruckend. Dazu wird die ganze Chose mit wilden Breaks und perfekt platzierten und exzellent ausgeführten Soli („Sons Of Hun-Vucub“) abgerundet. Haben wir also schon das Death/Black-Album des Jahres vor uns? Zusammenfassend muss ich sagen: Nein. Denn für meine Begriffe wirken die Produktion und auch die Songs an sich viel zu steril und zu kalt. Auch wenn die Stücke noch so ballern und noch so punktgenau landen, sie klingen einfach, als hätte sie ein Musikprofessor im Soundlabor am Rechner zusammengebastelt. Was dieser Scheibe komplett abgeht, ist das Organische; alles, was darauf hindeuten könnte, dass hier Menschen Musik machen, und keine Computer. Wer aber auf diese klinisch kalte Art von Sound steht, wird mit „Oblivion“ sicherlich sein ganz großes Heil finden. (cj)