Eine neue Veröffentlichung der Polit-Punks von Anti-Flag steht in diesem Jahr noch ins Haus. Deshalb ergriff ich die Gelegenheit die sich mir im Rahmen meines Urlaubes in Amsterdam bot und plauderte mit Sänger und Gitarrist Justin Sane über das was da auf uns zukommt.
Euer neues Album kommt bald in die Läden...
Ja, am 2 Oktober über Fat Wreck. Es heißt "The Terrorist State".
Was kannst du dazu sagen?
Es ist wohl unser wütendestes Album bisher, was schwer zu glauben ist da alle unsere Platten sehr wütend waren. Aber mit der derzeitigen Administration in den USA und dem generellen Zustand der Welt ist es sehr einfach frustriert und wütend zu sein über die Politik und darüber wie Menschen behandelt werden. Es sind aber auch Songs auf dem Album die nicht so schwarz/weiß sind. Für gewöhnlich sind viele unserer Songs sehr schwarz/weiß. Einige auf dem neuen Album sind abstrakter, andere hingegen sind wieder sehr schwarz/weiß. Es ist also eine Mischung. Auch die Musik selber ist härter geworden. Sogar die softeren Songs klingen sehr aggressiv. Ich bin sehr glücklich mit dem Album und ich hoffe andere Leute werden das auch sein.
Wo genau siehst du die Unterschiede zum letzten Album?
Wie schon gesagt, es ist härter und es gibt diese abstrakten Songs bei denen die Texte auf verschiedene Weise interpretiert werden können. Außerdem sind die Informationen die wir dem Album beigefügt haben besser und umfangreicher als früher. Wir versuchen den Leuten immer zusätzliche Informationen über die Dinge zu geben über die wir schreiben und ihnen somit einen besseren Einblick zu geben und sie zu bilden.
Ist es euch wichtig die Fans zu bilden?
Ja, Anti-Flag ist nicht nur eine Band, wir sind fast schon eine politische Organisation. Wir sind sehr in politische Aktionen und sozialen Anliegen involviert. Die Leute zu bilden ist sicherlich auch unsere Absicht mit der Band. Wir wollen, dass die Leute über die Dinge nachdenken über die wir schreiben.
Denkst du die Fans verstehen das immer?
Ich denke einige verstehen es, andere mögen aber nur die Musik. Ich freue mich immer wenn die Leute etwas aus unserer Musik ziehen aber jeder muss das für sich bestimmen. Einige suchen nur nach einem bisschen Unterhaltung und einem Ventil um ihre Aggressionen abzubauen. Ich kenne das. Auch ich habe Bands die ich mir sehr gern anhöre wenn ich einen schlechten Tag habe und die mir helfen. Egal was die Leute aus der Musik ziehen ist OK. Es gibt aber auch Leute die zu uns kommen und uns sagen, dass unsere Musik ihnen geholfen hat die Dinge anders zu sehen oder auf andere Dinge aufmerksam gemacht hat. Das ist wirklich schön zu wissen.
Das Album wurde von dem ex-Rage Against The Machine Gitarristen Tom Morello produziert. Wie seid ihr mit ihm in Kontakt getreten?
Wir waren auf Tour mit Rage Against The Machine in den Staaten. Wir kannten Tom also und haben ihm gesagt, dass wir an einem Album arbeiten und wir es toll fänden wenn er uns dabei unter die Arme greift. Er fand die Idee sehr gut. Alles weitere hat sich von da entwickelt.
Wie sah sein Einfluss auf das Album aus?
Wir hatten alle Songs für das Album bereits fertig. Es waren insgesamt ca. 50 Songs. Aus diesen 50 haben wir dann 15 ausgesucht. Toms größter Einfluss war es hauptsächlich bei dieser Auswahl zu helfen. Er sagte uns welche Songs er mochte. Er sagte Dinge wie: "Das ist ein guter Song ihr solltet an ihm arbeiten." Er bot viele kleine Hilfen an.
Ok, es ist aber nicht so, dass ihr nun klingt wie Rage Against The Machine?
Ich denke, dass Rage Against The Machine schon immer ein Einfluss für Anti-Flag waren. Wenn du dir die alten Songs anhörst wirst du auf kleine Dinge stoßen die von ihnen beeinflusst wurden. Diese Dinge gibt es auf dem neuen Album auch. Vielleicht ein bisschen mehr also sonst. Wir haben versucht Musik zu schreiben die neu und anders klingt als was wir früher gemacht haben. Deshalb ist dieser Einfluss vielleicht etwas stärker vertreten, aber es gab ihn schon lange.
Das Album "Underground Network" hatte das Konzept von alternativer Kommunikation. Das neue Album heißt "The Terrorist State", gibt es dabei auch ein Konzept? Was ist mit dem "Terrorist State" gemeint? Die USA?
Wenn ich sage, dass das Album nicht mehr so schwarz/weiß ist, dann ist genau das damit gemeint. Deine Frage zu dem Titel "The Terrorist State" ist genau das was wir erreichen wollen. Wir wollen, dass die Leute diese Frage stellen und in einen Dialog treten. Mit sich selbst und anderen. Was ist der "Terrorist State"? Sind es die USA? Ist es Deutschland? Vielleicht auch Großbritannien oder Saudi Arabien. Wir hoffen, dass die Leute darüber nachdenken und sich ihre Heimatländer und andere Länder anschauen und sehen was die Politiker in dem Land tun.
Seid ihr auch außerhalb der Band politisch aktiv?
Natürlich haben wir an vielen Anti-Kriegs Demonstrationen teilgenommen und auf Benefiz Veranstaltungen gespielt. Diese Dinge nehmen die meiste Zeit in Anspruch. Wir arbeiten an einer Sache namens " The Underround Network Alliance", die aus der Underground Network Idee hervorgeht. Es geht darum Informationen zu den Themen über die wir reden zu liefern, weil wir es wichtig finden, dass die Leute über gewisse Dinge bescheid wissen und eine Meinung dazu haben. Das ist eine neue Non-Profit Organisation die wir geholfen haben ins Leben zu rufen und an der wir arbeiten.
Unterstützt ihr auch andere Organisationen?
Oh ja, wir unterstützen viele Organisationen. Die wichtigste im Moment ist jedoch "Veterans Against War", eine Organisation aus den USA.
Würdest du selbst für ein politisches Amt kandidieren?
Daran zweifle ich. Obwohl ich der Typ von Anti-Flag bin, bin ich doch ein eher privater Mensch. Ich stelle mich zwar auf die Bühne aber ab einem gewissen Punkt habe ich gern meine Privatsphäre. Ich denke nicht, dass man die in einem politischen Amt wirklich haben kann.
Oft ist es ja auch so, dass man in den Ämter so sehr festgelegt ist, dass man kaum wirklich etwas ändern kann.
Vielleicht doch, vielleicht auch nicht. Es hängt von der Situation ab. Ich denke schon, dass es sehr schwierig ist, das System von innen heraus zu verändern. Aber ich denke auch, dass dies vielleicht der einzige Weg ist. Aber es gibt gute Leute die ihr ganzes Leben diesem Zweck widmen. Es ist besser sie zu unterstützen, denn sie können wahrscheinlich mehr erreichen als einer von uns jemals könnte. Ich persönlich würde lieber auf diese Weise helfen. Ich würde in der Politik wahrscheinlich verrückt werden.
Wie sind deine Vorhersagen für die kommende Wahl in den USA?
Meine Vorhersage ist, dass ich keine Ahnung habe. Es ist so schwer in den USA zu sagen was passieren wird. Alles kann sich ändern und die öffentliche Meinung umstimmen. Es kommt darauf an ob es der Wirtschaft gut oder schlecht geht oder ob es wieder einen Terroranschlag geben wird. Beide Dinge könnten sich aber auch in beide Richtungen auswirken. Es könnte sowohl gut als auch schlecht für George W. Bush sein. Die Welt ist im Moment sehr instabil. Ich weiß nicht wie die Wahl ausgehen wird. Ich weiß aber, dass die Opposition dieses Mal einen starken Kandidaten stellen muss der sich von George W. Bush unterscheidet und eine Alternative darstellt. Bei der vergangenen Wahl war es so, dass der Gegner, also Al Gore, nicht Ralph Nader, in seinen Ansichten sehr ähnlich war wie Bush. Leute wie ich, also eher progressiv denkende Leute, konnten ihn nicht guten Gewissens wählen. Wenn die Demokraten also die Stimmen von Leuten wie mir gewinnen wollen, müssen sie einen Kandidaten stellen der diese Leute und ihre Ansichten auch vertritt. Nicht nur jemand der zwischen den Stühlen steht oder ein bisschen in die richtige Richtung geht. Das würde für mich nicht funktionieren.
Denkst du Hillary Clinton wäre ein solcher Gegner?
Nein, das denke ich nicht. In den Staaten gilt sie zwar als liberal, in Europa würde man sie aber kaum so bezeichnen. Ich bin kein Fan von Hillary Clinton und ich war auch keiner von Bill Clinton. Ich bin mir aber sicher, dass sie besser ist als Bush.
Hattet ihr nach dem 11.09.2001 Probleme eure Meinung frei zu äußern?
Ich will jetzt nicht damit angeben, was für großartige Menschen wir sind oder so, aber wir waren die einzige Band die nach den Anschlägen nicht ihren politischen Kurs geändert hat. Wir sind bei der Meinung geblieben, dass Bush ein Faschist, ein Arschloch und ein Lügner ist. Viele Leute hatten ein Problem damit und meinten wir dürften solche Dinge nicht gleich nach den Anschlägen sagen. Aber nur weil das Land angegriffen wurde, heißt das noch lange nicht, dass die Bush Politik auf einmal gut ist. Ich finde nicht, dass die Leute damit aufhören sollten ihre Meinung frei zu äußern weil so etwas passiert. Viele der Leute die uns damals angegriffen haben, müssen aber heute zugeben, dass wir recht hatten. George Bush kümmerte sich nicht die amerikanischen Menschen. Viele Leute sind mit der jetzigen Situation im Irak unzufrieden und fühlen sich betrogen und belogen. Es war zwar schwerer die Meinung zu äußern, aber es war möglich.
Wo siehst du die Hauptprobleme der modernen Gesellschaft und wie würdest du sie ändern?
Ich denke das größte Problem ist, dass es diese riesigen Unternehmen mit ihren eigenen Interessen gibt. Es gibt ein paar sehr reiche Leute die Kontrolle über die Regierung haben. Nicht nur in den USA, man kann das überall auf der Welt beobachten. Wenn normale Bürger das Schicksal ihres Landes und damit ihre eigenen Schicksale wieder selbst bestimmen wollen, muss man zuerst diese Konzerne aus den Regierungen bekommen. Ein klassisches Beispiel ist die WTO. Es ist völlig egal welche lokalen Gesetze man verabschiedet, wenn die WTO dann beschließt dass es ihren freien Handel beschneidet. Deren Gesetz steht dann über dem lokalen. Es ist deshalb sehr wichtig für die Menschen lokal zu agieren. Denn wenn es lokal ist, ist es auch global. Act locally, think globally. Es stimmt.
Ihr habt diesen Anti-Kriegs Song mit den Donots gemacht. Wie ist er zustande gekommen?
Es gab in den Staaten viele Proteste gegen den Krieg, aber ich konnte kaum Leute aus der Szene dort sehen. Ich finde, dass die selben Kids die zu unseren Show kommen, unsere Statements beklatschen und die Texte mitsingen auch auf diese Demonstrationen gehen sollten. Wir haben also diesen Song geschrieben, der im Grunde sagt, dass wenn du zu unseren Shows kommst, du auch auf die Demos gehen musst. Wir mussten zu dieser Zeit gerade nach Europa und hatten keine Zeit den Song aufzunehmen. Wir kannten die Donots von früheren Touren und obwohl deren Songs nicht so politisch sind, sind es die Musiker als Personen aber sehr wohl. Da ich wusste, dass unsere politische Einstellung die selbe war schickte ich ihrem Sänger Ingo eine Email und fragt ob sie nicht den Song mit uns aufnehmen wollten. Er sagte zu und wir haben den Song dann in Deutschland innerhalb sechs Stunden aufgenommen.
Warum tourt ihr in Europa zur Zeit so viel?
Das liegt wohl daran, dass wir zuvor kaum in Europa waren. Als wir das erste Mal gekommen sind hat es uns aber so gut gefallen, dass wir jetzt so viel Zeit wie möglich hier verbringen wollen.
Ihr habt auch euer eigenes Label. Warum veröffentlicht ihr das Album nicht selbst?
Wir haben letztes Jahr "Mobilize" dort veröffentlicht und ich werde irgendwann noch ein Solo Album darüber herausbringen. Anti-Flag ist jedoch verglichen mit den anderen Bands auf dem Label eine sehr, sehr bekannte Band. Es sind also immer noch wir die das Label ziehen. Da ist es manchmal einfacher mit einem Label wie Fat Wreck zu arbeiten. Die Leute dort sind sehr gut in ihrem Job und sie können mit dem Arbeitsaufwand und dem Stress der mit einem Release einer Band unserer Größe verbunden ist, wesentlich besser umgehen als wir das können. Wir können das zwar auch, aber lediglich in den Staaten. Außerhalb haben wir keinen Vertrieb. Daran arbeiten wir noch.
Wie sehen eure Zukunftspläne aus?
Ich würde gern Holländisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch lernen. Alles noch dieses Jahr. Was sonst? Ich denke wir werden unseren Arsch abtouren. Wir haben neulich unsere Tourzeiten aufgeschrieben und festgestellt, dass wir ein ganzes Jahr ausgebucht sind. Ich denke nicht, dass wir in dieser Zeit etwas veröffentlichen werden, vom neuen Album mal abgesehen. Ich möchte noch versuchen ein Solo Album produzieren wenn ich Zeit finde. Ich hab da ein paar Songs fertig, aber hatte noch keine Zeit.
Wie klingen deine Solostücke?
Sie sind sehr beeinflusst von Billy Brag. Sie sind nicht so politisch wie Anti-Flag Songs. Ich habe versucht einmal etwas anderes zu machen. Es sind ein paar Lovesongs dabei, eher persönlicher Kram. Jeder braucht auch mal eine Pause von der Politik.
Hast du noch letzte Worte?
Ja, checkt
alle unsere Website ab www.anti-flag.com
und das unseres Labels: www.a-frecords.com.
Auf dem Label kommt bald ein neues Release heraus. Es wird sehr billig sein.
Alle Band auf dem Label sind wirklich sehr gut, weshalb wir sie auch raus bringen.
Surft mal vorbei.
Ansonsten, vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde von Rolf Gehring geführt.
Foto: Sandra Steh
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