100000 Tonnen Kruppstahl - Bionic Testmensch
„Bionic Testmensch“, der Titel des zweiten Albums der Berliner Krachfetischisten 100000 Tonnen Kruppstahl, könnte im übertragenen Sinn bedeuten, dass der Käufer dieser Platte unwissentlich zum Versuchsobjekt wird. Getestet werden 13 akustische Splitterbomben, die so illustre Namen wie „Kill Your Kids And Die“ oder „Besoffen Und Bis An Die Zähne Bewaffnet“ tragen. Ziel des Versuchs: Die Testperson aus ihrer gewohnt sicheren Umgebung herausbrechen und ihr die Fähigkeit nehmen, jemals wieder normale soziale Kontakte zu pflegen. Das klingt vielleicht etwas dick aufgetragen, aber diese Platte ist definitiv nichts für schwache Nerven. Die beiden Protagonisten, die außer ihren Stimmbändern lediglich Gitarre und Schlagzeug einsetzen, brennen trotz dieser minimalen Instrumentierung ein soundtechnisches Inferno ab. Die bevorzugten Folterwerkzeuge sind wild durcheinander gewürfelte Elemente aus Grindcore, Thrash Metal und Rock, wobei das alles mit einem enormen Krachfaktor vorgetragen wird. Außerdem hält das Kreuzberger Duo wenig von transparenten Songstrukturen und eingängigen Melodien, dafür verfügen sie aber über einen ganz schweren Bleifuss, der das Gaspedal über weite Strecken bis zum Anschlag durchdrückt. Völlig kompromissfrei holzten und prügeln sie sich durch Riffs, die ihnen scheinbar gerade halt so eingefallen sind. Ohne sich ausführlicher mit den Kompositionen zu beschäftigen, ist es beinahe unmöglich einen tieferen Sinn dahinter auszumachen. Allerdings lässt man es gelegentlich auch etwas ruhiger angehen und schiebt hier und da rocklastige Zwischenteile ein; das überlange „Germanistan“ verfügt sogar über einen fast doomigen Mittelpart. Der auffälligste Song ist aber das bereits erwähnte „Kill Your Kids And Die“, welches über einen zwar verzerrten, aber deutlich hörbaren 80er-Jahre-Touch à la Faith No More verfügt, und dank bewusst schrägem Klargesang eine ganz eigene Duftnote setzt. Ich würde mir wünschen, 100.000 Tonnen Kruppstahl schlügen öfter diese experimentellen Wege ein, denn nicht nur, dass dieser Song das Highlight der gesamten Platte darstellt, es ist der einzige Abschnitt auf „Bionic Testmensch“, der etwas Abwechslung in die ansonsten übermächtige Noise-Orgie hineinbringt. Somit ist das zweite Album der Berliner Jungs eigentlich nur zu empfehlen, wenn man von bodenständigem Metal angeödet ist und mal so richtig eins auf die Zwölf haben möchte. Und zum Abschluss noch ein Tipp: Den Lautstärkeregler unbedingt voll aufdrehen, sonst hat die Platte gleich verloren. (cj)




