The Dresden Dolls - Yes, Virginia
Irgendjemand hatte sie als The White Stripes-Verschnitt angekündigt und die fand ich ja auch nie so prall und deswegen hab ich mich damals, als die Band im Vorprogramm der Nine Inch Nails auftrat, auch nicht beeilt und war erst zum Headliner angetrabt – was sich heute als grober Fehler darstellt! Das Bostoner Duo hat nämlich glücklicherweise viel mehr zu bieten als die White Stripes und sie sind auch auf ihrem zweiten Album absolut einzigartig unterwegs. Ein Mischung aus Punk und Weimarer Kabarett (!), alles sehr theatralisch ohne jedoch anstrengend oder nervig zu geraten. Und das funktioniert richtig gut, das Klavier und die charismatische Stimme von Amanda Palmer stehen im Vordergrund, Gitarren passieren eher beiläufig, der Bass unterstützt, drängt sich aber nicht auf. Brian Viglione glänzt mit Gesangsbeiträgen, konzentriert sich sonst aber auf ausdrucksstarkes Schlagzeugspiel. Produziert von Sean Slade und Paul Q. Kolderie, die schon für Größen wie Radiohead, The Pixies und Hole gearbeitet haben ist der Sound im Gegensatz zum Debut deutlich druckvoller und präsenter geraten. Von der Atmosphäre changiert das Material zwischen kindlicher Naivität und ordentlich schwarzem Humor. Ein Song wie „Mrs O.“ is nur noch derbe sarkastisch, wenn es im Text heisst „There´s no Hitler and no Holocaust, no Winter and no Santa Claus, and Yes Virginia, all because the Truth won´t save you now“ (Der Albumtitel und auch die Passage aus dem Text bezieht sich übrigens auf die achtjährige Virginia, die 1897 einen Brief an die New York Sun schrieb und fragte, ob es den Weihnachtsmann denn auch wirklich gibt). Andererseits ist der fünfte Track „Delilah“ eine wunderschöne melancholische Ballade – in der sogar ganz kurz gejodelt wird! Eine der wenigen Bands die wirklich herausstechen aus der aktuellen Musiklandschaft. (tj)




